Interpretation system by Edmund Zou: Difference between revisions

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'''Kung Fu Handform - Interpretationssystematik von Edmund Zou'''


'''1) Was ist eine Handform?'''
In verschiedenen asiatischen Kampfkünsten (Kung Fu, Karate, Silat, Muay Thai Boran, …) existieren Formen. Diese können als eine Bewegungschoreographie beschrieben werden, welche aus verschiedenen Kampftechniken zusammengesetzt wird. Der Kampfkünstler kann dann diese Form alleine ohne einen Partner trainieren und Kampftechniken und Kampftechnikkombinationen damit üben. Es existieren zudem unbewaffnete, als auch Formen mit verschiedenen Waffen. Hier wird im Folgenden aber nur die allgemeine Interpretationssystematik der unbewaffneten Formen (Handformen) der chinesischen Kampfkünste genauer untersucht.
'''2) Die Formaufteilung'''
Handformen können allgemein oft aufgeteilt werden in einen Chain Wrestling Teil und in einen Brückenhandteil. Oft setzen sich die südlichen Stile mehr mit Brückenhandtechniken auseinander und die nördlichen Stile mehr mit dem Chain Wrestling. Natürlich bestehen hierfür aber auch Ausnahmen.
(1) Die Brückenhandteile kommen meistens am Anfang einiger Formen vor. Der restliche Teil dieser Formen besteht dann aus dem sogenannten Chain Wrestling Teil (siehe z.B.: Hung Gar).
(2) Es gibt aber auch Formen, welche größtenteils nur aus Chain Wrestling (siehe z.B.: Bei Tang Lang) oder nur aus Brückenhandtechniken (siehe z.B.: Wing Chun) bestehen.
(3) Ein weiterer Fall besteht bei Stilen wie z.B.: Chow Gar, Bak Mei, Wu Zu, Wu Mei, …, wo Brückenhandtechniken mit deutlich mehr Schrittarbeit und z.T. auch vermehrt mit Chain Wrestling Techniken kombiniert werden im Gegensatz zu z.B.: Wing Chun, Hung Gar, … Bei diesen ist es daher eher schwierig, klar zwischen einem Chain Wrestling Teil und einem Brückenhandteil zu unterscheiden. Daher muss bei der Interpretation von Formen dieser Art eine Kombination aus der Systematik für Chain Wrestling und der für Brückenhandtechniken verwendet werden.
'''3) Der Brückenhandteil'''
'''3.1) Aufbau'''
Diese Formteile kennzeichnen sich dadurch, dass der Trainierende größtenteils in einer passiven Stellung (z.B.: Ma Bu, Bing Bu, Yee Jee Kim Yeung Ma des Wing Chun) mit fest im Boden verankerten Füßen steht und nahezu ausschließlich Handtechnikkombinationen übt. Das heißt, Schrittarbeit kann manchmal vorkommen, ist aber eher selten und nicht der Hauptfokus bei diesen Formteilen. Manchmal werden Schlagtechniken gezeigt, die man nach einer bestimmten Brückenhandtechnik gut ansetzen kann.
'''3.2) Konstruktion der Kombinationen'''
Brückenhandtechniken werden im Kung Fu benutzt, um den Kontakt zwischen den gegnerischen Armen und den eigenen zu errichten. Oder, um die eigene Handposition bei einem bereits bestehenden Kontakt zu ändern, um kontinuierlich die dominante Position mit den eigenen Händen über die des Gegners beizubehalten. Eine dominante Armposition kennzeichnet sich dadurch, dass der Anwender eine gute Kontrolle über die gegnerischen Arme hat und dass er aus der Position gut seine gewünschten Techniken ansetzen kann (z.B.: Schläge, Hebel, Würfe). Die Kombinationen sind meistens so konstruiert, dass im Idealfall der Gegner immer auf solcher Art gegen eine Handtechnik resistiert, sodass er dadurch seine Verteidigung direkt für die nächste Technik in der Kombination öffnet. Die Form geht hierbei von recht simplen Gegenreaktionen des Gegners auf die Techniken aus. Ebenfalls wichtig anzumerken ist, dass der Anwender in der Form grundsätzlich nicht mit Kraft gegen die gegnerischen Aktionen und Reaktionen arbeiten möchte, sondern diese stattdessen für die eigenen Folgetechniken ausnutzen will.
'''3.3) Interpretationssystematik'''
'''(1) Was ist der Armkontakt am Anfang?'''
Hierbei ist zu beachten, dass meistens am Anfang auf irgendeiner Art und Weise beide Arme (vermehrter Fall → beide Arme von innen gegriffen) des Gegners kontrolliert werden und aus diesem Handkontakt erfolgen dann die Folgetechniken.
'''(2) Wie resistiert der Gegner?'''
'''(2.1) Beachten → Grundsätzliche Reaktionsmöglichkeiten des Gegners'''
<nowiki>*</nowiki> Wenn der gegnerische Arm in eine Richtung gezogen wird, zieht der Gegner diesen in die entgegengesetzte Richtung zurück.
<nowiki>*</nowiki> Wenn der gegnerische Arm in eine Richtung gedrückt wird, drückt der Gegner diesen in die entgegensetzte Richtung zurück.
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner versucht den Kopf des Anwenders zu attackieren, sollte dieser frei gelegt werden. (weniger häufig wie die ersten 2 Möglichkeiten)
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner blockt Schlagtechniken auf einer möglichst schnellen und einfachen Art und Weise. Auf welche dieser Arten resistiert der Gegner höchstwahrscheinlich? Gibt die Bewegung der Folgetechnik eine mögliche Anwendung her, welche diese Gegenreaktion günstig ausnutzt?
'''(2.2) Beachten → Grundsätzliche Methoden, um die gegnerische Reaktion auszunutzen'''
<nowiki>*</nowiki> Wenn der Gegner gegen meine Arme drückt, kann ich die Kontaktseite (z.B. von innen nach außen oder umgekehrt) wechseln, um seinen Druck zu entgehen.
<nowiki>*</nowiki> Wenn der Gegner gegen meine Arme drückt, kann ich versuchen, seine Kraft in eine andere Richtung umzulenken.
<nowiki>*</nowiki> Wenn der Gegner frontalen Druck ausübt, kann ich seinen Druck aufnehmen, damit seine Verteidigung geöffnet wird, da seine Kraft ins Leere läuft.
<nowiki>*</nowiki> Wenn der Gegner seinen Arm zurückzieht, kann ich diesen mit meinem eigenen Arm folgen, um den Gegner unter Druck zu setzen. Nach Interpretation der Technik auf gleicher Art und Weise fortfahren mit den weiteren Folgetechniken.
'''(3) Beachten → Zusätzliche Punkte für die erfolgreiche Interpretation'''
<nowiki>*</nowiki> Stimmt die Interpretation mit dem Techniknamen aus der Quan Pu überein? → Die Quan Pu Techniknamen - Interpretationssystematik wird in einer anderen Abhandlung genauer untersucht.
<nowiki>*</nowiki> Handsymboliken beachten → Wird mit der Handhaltung der Arm angespannt, damit mit diesem z.B. mehr Druck ausgeübt werden kann? (siehe z.B.: Hung Gar Kiu Sao, Phönixfaust, Ingwerfaust) → Können die Arme des Gegners mit der eigenen Handhaltung in einer bestimmten Hinsicht besser kontrolliert werden? (siehe z.B.: gebeugte Handgelenke bei Wing Chun Fok Sao → Die gegnerischen Arme werden gesperrt, wenn der Gegner den Anwender beidarmig von innen gegriffen hat und der Anwender daraufhin mit beiden Händen Fok Sao annimmt.) → Handsymboliken im Allgemeinen werden in einer anderen Abhandlung genauer untersucht.
<nowiki>*</nowiki> Ist der Brückenhandteil mit einem darauffolgendem oder vorausgehendem Chain Wrestling Teil verbunden? → Wenn ja, passt die Interpretation der End-/Beginn-Technik „taktisch gesehen“ gut zum Chain Wrestling Teil?
<nowiki>*</nowiki> Ist der Brückenhandteil selbst in mehrere voneinander unabhängigen Teile aufgeteilt?
<nowiki>*</nowiki> Ist die Interpretation mit anderen Formen zu vereinbaren?
'''4) Der Chain Wrestling Teil'''
'''4.1) Aufbau'''
Diese Formteile kennzeichnen sich durch eine deutlich komplexere Schrittarbeit wie im Vgl. zum Brückenhandteil. Verschiedene Beinpositionen werden eingenommen, um den Stand des Gegners zu blockieren. In Kombinationen mit den Armtechniken werden die Beinpositionen meistens benutzt, um Würfe zu erzeugen. In den Chain Wrestling Teilen kommen allgemein gesehen keine komplexen Kontaktwechseltechniken oder Druckumleitungstechniken vor wie in den Brückenhandteilen.
'''4.2) Konstruktion der Kombinationen'''
Genau wie bei den Brückenhandteilen sind die Kombinationen in den Chain Wrestling Teilen generell so konstruiert, dass der Gegner sich durch seine jeweilige Gegenreaktion auf eine Technik für die nächste Technik in der Form öffnet. Die Form geht weiterhin von simplen Reaktionen des Gegners aus und der Anwender arbeitet auch im Chain Wrestling Teil nicht mit Kraft gegen die gegnerischen Aktionen und Reaktionen etc.
'''4.3) Interpretationssystematik'''
'''(1) Was ist die Ausgangssituation?'''
<nowiki>*</nowiki> Hierfür evtl. vorausgehende Brückenhandteile beachten, die mit dem Chain Wrestling Teil verbunden sind.
<nowiki>*</nowiki> Wird durch die erste Technik der Kontakt aufgebaut oder beginnt die Form (kein vorausgehender Brückenhandteil) inmitten einer Chain Wrestling Situation? (2) Interpretation einer einzelnen Technik
'''(2.1) Zuerst Beinstellung analysieren → Allgemeine Anwendungen der Beinstellungen dafür beachten'''
<nowiki>*</nowiki> Ma Bu → gegnerischen Stand einnehmen
<nowiki>*</nowiki> Ban Ma Bu → gegnerischen Stand einnehmen
<nowiki>*</nowiki> San Ti Shi → gegnerischen Stand einnehmen
<nowiki>*</nowiki> Gong Bu → gegnerischen Stand einnehmen
<nowiki>*</nowiki> Ru Huan Bu → gegnerischen Stand einnehmen; Druck auf vordere gegnerische Kniekehle ausüben
<nowiki>*</nowiki> Tun Ta Bu → gegnerischen Stand einnehmen; Beinfeger nach hinten
<nowiki>*</nowiki> Pu Bu → gegnerischen Stand einnehmen; gegnerischen Stand einnehmen mit Position der eigenen Beine vor den Beinen des Gegners (vgl. Cha Chui 1. Wurf) • Qi Xing Bu → gegnerischen Stand einnehmen; ausgeführt als Tritt für Beinfeger nach vorne; vorderes gegnerisches Bein wegziehen • Kua Hu Bu → gegnerischen Stand diagonal einnehmen; vorderes gegnerisches Bein wegziehen
<nowiki>*</nowiki> Du Li Bu → Knie des vorderen gegnerischen Beines seitlich blockieren; vorderes gegnerisches Bein wegziehen; mit „Fuß in Kniekehle“ als Gewichtverlagerung auf Standbein
<nowiki>*</nowiki> Ding Bu → Körpergewicht senken und Gewicht auf das hintere Bein verlagern
<nowiki>*</nowiki> Niu Bu → gegnerischen Stand einnehmen durch „Einhaken“
<nowiki>*</nowiki>Qi Xing Bu → gegnerischen Stand einnehmen; Beinfeger nach vorne
'''(2.2) Danach Handtechnik für Interpretation mit einbeziehen'''
<nowiki>*</nowiki> Was ist der Handkontakt? → Der generelle Haupthandkontakt in den Handformen ist l. auf l./r. auf r.. Manchmal ist auch der innere Kontakt zu beiden gegnerischen Armen aufzufinden, sowie der Kontakt l. auf r./r. auf l.. Andere Armkontaktarten sind seltener auffindbar.
<nowiki>*</nowiki> Was ist die Handsymbolik? → Handsymboliken im Allgemeinen werden in einer anderen Abhandlung genauer untersucht.
<nowiki>*</nowiki> Gibt die Bewegung der Handtechnik etwas her, was in Kombination mit eines der Anwendungen der jeweiligen Beinstellung eine Wurftechnik ergeben könnte?
<nowiki>*</nowiki> Wenn bei der Interpretation auf keine Wurftechnik geschlossen werden kann → Handelt es sich um einen Hebel oder um einen Schlag etc.? → Macht die Gewichtsverlagerung mit der jeweiligen Beinstellung hierfür Sinn?
<nowiki>*</nowiki> Beachte weiterführend Stellungen bei Frage: „Endtechnik oder Transition Technik?“ → Techniken mit Stellungen wie z.B.: Kua Hu Bu, Niu Bu deuten prinzipiell eindeutig auf eine Wurftechnik hin, währenddem es sich bei Techniken mit Stellungen wie z.B.: Ma Bu, Gong Bu auch lediglich um simple Schlagtechniken z.B. handeln kann.
'''(2.3) Beachten → Macht die Interpretation der Einzeltechnik „taktisch“ Sinn mit Berücksichtigung der Vor- und Nachtechnik, bzw. der Triessenz?'''
'''(3) Beachten → Grundsätzliche Reaktionsmöglichkeiten des Gegners'''
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner blockt Handtechniken (Handkontakt l. auf l./r. auf r.) generell so ab, dass durch seinen Block ein neuer Kontakt (l. auf l. oder r. auf r.) entsteht.
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner fällt auf eine Finte rein beim Blocken.
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner weicht mit dem vorderen Bein einen ganzen Schritt zurück.
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner resistiert gegen die Technik, aber geht keinen Schritt zurück.
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner resistiert gegen die Technik und geht „kleine Schritte“ zurück, d.h. keinen ganzen Schritt.
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner übt frontalen Druck aus und geht einen ganzen Schritt vor.
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner wird einen ganzen Schritt vorgezogen.
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner hebt sein Bein an, um einen Beinfeger nach vorne/hinten auszuweichen oder um Wurftechniken auszuweichen, welche die Innenseite seiner Beine blockieren (siehe z.B.: Cha Chui 1. Wurf).
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner geht auf die „andere Seite“, um einer Technik auszuweichen.
<nowiki>*</nowiki> Der Gegner wird durch eine Technik auf die „andere Seite“ gebracht.
'''(4) Beachten → Zusätzliche Punkte für die erfolgreiche Interpretation'''
<nowiki>*</nowiki> Stimmt die Interpretation mit dem Techniknamen aus der Quan Pu überein? → Die Quan Pu Techniknamen - Interpretationssystematik wird in einer anderen Abhandlung genauer untersucht.
<nowiki>*</nowiki> Ist der Chain Wrestling Teil selbst in mehrere voneinander unabhängigen Teile aufgeteilt?
<nowiki>*</nowiki> Ist die Interpretation mit anderen Formen zu vereinbaren?
'''5) Abschließende Fragestellungen für die Interpretation und Recherche einer Form'''
<nowiki>*</nowiki> Wann wurde die Form erfunden? → Kommt sie aus einer Zeit, wo die Leute Formen für das Kampftraining entworfen haben → Kommt sie aus der „moderneren Zeit“, wo Leute Formen für den reinen „Sportzweck“ entworfen haben? → Was für ein Verständnis hatten die Leute über Kung Fu zu der Zeit, wo die Form entworfen worden ist?
<nowiki>*</nowiki> Wie wurde die Form erfunden? → Für wen wurde die Form erfunden? (Soldaten? Bürger? …?) → Aus welchem Stil kommt die Form? → Hat die Form Beziehungen zu anderen Formen des gleichen Stils oder zu anderen Stilen?
<nowiki>*</nowiki> Welche Änderungen gab es an der Form? → Ist eindeutig zu bestimmen, wann/wer/wo Änderungen an der jeweiligen Form vorgenommen hat? → Wieso wurden diese Änderungen vorgenommen? → Haben diese Änderungen die Form „verbessert“?
<nowiki>*</nowiki> Was möchte die Form insgesamt ausdrücken? → Fasst die Form bestimmte Techniken lediglich zusammen, damit diese kompakt weitergegeben werden können? → Fokussieren sich alle Techniken und Kombinationen der Form auf ein bestimmtes Prinzip/Taktik? → Was ist der Grund für die Art und Weise, wie die Form benannt worden ist?

Revision as of 02:23, 12 December 2024

Kung Fu Handform - Interpretationssystematik von Edmund Zou

1) Was ist eine Handform?

In verschiedenen asiatischen Kampfkünsten (Kung Fu, Karate, Silat, Muay Thai Boran, …) existieren Formen. Diese können als eine Bewegungschoreographie beschrieben werden, welche aus verschiedenen Kampftechniken zusammengesetzt wird. Der Kampfkünstler kann dann diese Form alleine ohne einen Partner trainieren und Kampftechniken und Kampftechnikkombinationen damit üben. Es existieren zudem unbewaffnete, als auch Formen mit verschiedenen Waffen. Hier wird im Folgenden aber nur die allgemeine Interpretationssystematik der unbewaffneten Formen (Handformen) der chinesischen Kampfkünste genauer untersucht.

2) Die Formaufteilung

Handformen können allgemein oft aufgeteilt werden in einen Chain Wrestling Teil und in einen Brückenhandteil. Oft setzen sich die südlichen Stile mehr mit Brückenhandtechniken auseinander und die nördlichen Stile mehr mit dem Chain Wrestling. Natürlich bestehen hierfür aber auch Ausnahmen.

(1) Die Brückenhandteile kommen meistens am Anfang einiger Formen vor. Der restliche Teil dieser Formen besteht dann aus dem sogenannten Chain Wrestling Teil (siehe z.B.: Hung Gar).

(2) Es gibt aber auch Formen, welche größtenteils nur aus Chain Wrestling (siehe z.B.: Bei Tang Lang) oder nur aus Brückenhandtechniken (siehe z.B.: Wing Chun) bestehen.

(3) Ein weiterer Fall besteht bei Stilen wie z.B.: Chow Gar, Bak Mei, Wu Zu, Wu Mei, …, wo Brückenhandtechniken mit deutlich mehr Schrittarbeit und z.T. auch vermehrt mit Chain Wrestling Techniken kombiniert werden im Gegensatz zu z.B.: Wing Chun, Hung Gar, … Bei diesen ist es daher eher schwierig, klar zwischen einem Chain Wrestling Teil und einem Brückenhandteil zu unterscheiden. Daher muss bei der Interpretation von Formen dieser Art eine Kombination aus der Systematik für Chain Wrestling und der für Brückenhandtechniken verwendet werden.

3) Der Brückenhandteil

3.1) Aufbau

Diese Formteile kennzeichnen sich dadurch, dass der Trainierende größtenteils in einer passiven Stellung (z.B.: Ma Bu, Bing Bu, Yee Jee Kim Yeung Ma des Wing Chun) mit fest im Boden verankerten Füßen steht und nahezu ausschließlich Handtechnikkombinationen übt. Das heißt, Schrittarbeit kann manchmal vorkommen, ist aber eher selten und nicht der Hauptfokus bei diesen Formteilen. Manchmal werden Schlagtechniken gezeigt, die man nach einer bestimmten Brückenhandtechnik gut ansetzen kann.

3.2) Konstruktion der Kombinationen

Brückenhandtechniken werden im Kung Fu benutzt, um den Kontakt zwischen den gegnerischen Armen und den eigenen zu errichten. Oder, um die eigene Handposition bei einem bereits bestehenden Kontakt zu ändern, um kontinuierlich die dominante Position mit den eigenen Händen über die des Gegners beizubehalten. Eine dominante Armposition kennzeichnet sich dadurch, dass der Anwender eine gute Kontrolle über die gegnerischen Arme hat und dass er aus der Position gut seine gewünschten Techniken ansetzen kann (z.B.: Schläge, Hebel, Würfe). Die Kombinationen sind meistens so konstruiert, dass im Idealfall der Gegner immer auf solcher Art gegen eine Handtechnik resistiert, sodass er dadurch seine Verteidigung direkt für die nächste Technik in der Kombination öffnet. Die Form geht hierbei von recht simplen Gegenreaktionen des Gegners auf die Techniken aus. Ebenfalls wichtig anzumerken ist, dass der Anwender in der Form grundsätzlich nicht mit Kraft gegen die gegnerischen Aktionen und Reaktionen arbeiten möchte, sondern diese stattdessen für die eigenen Folgetechniken ausnutzen will.

3.3) Interpretationssystematik

(1) Was ist der Armkontakt am Anfang?

Hierbei ist zu beachten, dass meistens am Anfang auf irgendeiner Art und Weise beide Arme (vermehrter Fall → beide Arme von innen gegriffen) des Gegners kontrolliert werden und aus diesem Handkontakt erfolgen dann die Folgetechniken.

(2) Wie resistiert der Gegner?

(2.1) Beachten → Grundsätzliche Reaktionsmöglichkeiten des Gegners

* Wenn der gegnerische Arm in eine Richtung gezogen wird, zieht der Gegner diesen in die entgegengesetzte Richtung zurück.

* Wenn der gegnerische Arm in eine Richtung gedrückt wird, drückt der Gegner diesen in die entgegensetzte Richtung zurück.

* Der Gegner versucht den Kopf des Anwenders zu attackieren, sollte dieser frei gelegt werden. (weniger häufig wie die ersten 2 Möglichkeiten)

* Der Gegner blockt Schlagtechniken auf einer möglichst schnellen und einfachen Art und Weise. Auf welche dieser Arten resistiert der Gegner höchstwahrscheinlich? Gibt die Bewegung der Folgetechnik eine mögliche Anwendung her, welche diese Gegenreaktion günstig ausnutzt?

(2.2) Beachten → Grundsätzliche Methoden, um die gegnerische Reaktion auszunutzen

* Wenn der Gegner gegen meine Arme drückt, kann ich die Kontaktseite (z.B. von innen nach außen oder umgekehrt) wechseln, um seinen Druck zu entgehen.

* Wenn der Gegner gegen meine Arme drückt, kann ich versuchen, seine Kraft in eine andere Richtung umzulenken.

* Wenn der Gegner frontalen Druck ausübt, kann ich seinen Druck aufnehmen, damit seine Verteidigung geöffnet wird, da seine Kraft ins Leere läuft.

* Wenn der Gegner seinen Arm zurückzieht, kann ich diesen mit meinem eigenen Arm folgen, um den Gegner unter Druck zu setzen. Nach Interpretation der Technik auf gleicher Art und Weise fortfahren mit den weiteren Folgetechniken.

(3) Beachten → Zusätzliche Punkte für die erfolgreiche Interpretation

* Stimmt die Interpretation mit dem Techniknamen aus der Quan Pu überein? → Die Quan Pu Techniknamen - Interpretationssystematik wird in einer anderen Abhandlung genauer untersucht.

* Handsymboliken beachten → Wird mit der Handhaltung der Arm angespannt, damit mit diesem z.B. mehr Druck ausgeübt werden kann? (siehe z.B.: Hung Gar Kiu Sao, Phönixfaust, Ingwerfaust) → Können die Arme des Gegners mit der eigenen Handhaltung in einer bestimmten Hinsicht besser kontrolliert werden? (siehe z.B.: gebeugte Handgelenke bei Wing Chun Fok Sao → Die gegnerischen Arme werden gesperrt, wenn der Gegner den Anwender beidarmig von innen gegriffen hat und der Anwender daraufhin mit beiden Händen Fok Sao annimmt.) → Handsymboliken im Allgemeinen werden in einer anderen Abhandlung genauer untersucht.

* Ist der Brückenhandteil mit einem darauffolgendem oder vorausgehendem Chain Wrestling Teil verbunden? → Wenn ja, passt die Interpretation der End-/Beginn-Technik „taktisch gesehen“ gut zum Chain Wrestling Teil?

* Ist der Brückenhandteil selbst in mehrere voneinander unabhängigen Teile aufgeteilt?

* Ist die Interpretation mit anderen Formen zu vereinbaren?

4) Der Chain Wrestling Teil

4.1) Aufbau

Diese Formteile kennzeichnen sich durch eine deutlich komplexere Schrittarbeit wie im Vgl. zum Brückenhandteil. Verschiedene Beinpositionen werden eingenommen, um den Stand des Gegners zu blockieren. In Kombinationen mit den Armtechniken werden die Beinpositionen meistens benutzt, um Würfe zu erzeugen. In den Chain Wrestling Teilen kommen allgemein gesehen keine komplexen Kontaktwechseltechniken oder Druckumleitungstechniken vor wie in den Brückenhandteilen.

4.2) Konstruktion der Kombinationen

Genau wie bei den Brückenhandteilen sind die Kombinationen in den Chain Wrestling Teilen generell so konstruiert, dass der Gegner sich durch seine jeweilige Gegenreaktion auf eine Technik für die nächste Technik in der Form öffnet. Die Form geht weiterhin von simplen Reaktionen des Gegners aus und der Anwender arbeitet auch im Chain Wrestling Teil nicht mit Kraft gegen die gegnerischen Aktionen und Reaktionen etc.

4.3) Interpretationssystematik

(1) Was ist die Ausgangssituation?

* Hierfür evtl. vorausgehende Brückenhandteile beachten, die mit dem Chain Wrestling Teil verbunden sind.

* Wird durch die erste Technik der Kontakt aufgebaut oder beginnt die Form (kein vorausgehender Brückenhandteil) inmitten einer Chain Wrestling Situation? (2) Interpretation einer einzelnen Technik

(2.1) Zuerst Beinstellung analysieren → Allgemeine Anwendungen der Beinstellungen dafür beachten

* Ma Bu → gegnerischen Stand einnehmen

* Ban Ma Bu → gegnerischen Stand einnehmen

* San Ti Shi → gegnerischen Stand einnehmen

* Gong Bu → gegnerischen Stand einnehmen

* Ru Huan Bu → gegnerischen Stand einnehmen; Druck auf vordere gegnerische Kniekehle ausüben

* Tun Ta Bu → gegnerischen Stand einnehmen; Beinfeger nach hinten

* Pu Bu → gegnerischen Stand einnehmen; gegnerischen Stand einnehmen mit Position der eigenen Beine vor den Beinen des Gegners (vgl. Cha Chui 1. Wurf) • Qi Xing Bu → gegnerischen Stand einnehmen; ausgeführt als Tritt für Beinfeger nach vorne; vorderes gegnerisches Bein wegziehen • Kua Hu Bu → gegnerischen Stand diagonal einnehmen; vorderes gegnerisches Bein wegziehen

* Du Li Bu → Knie des vorderen gegnerischen Beines seitlich blockieren; vorderes gegnerisches Bein wegziehen; mit „Fuß in Kniekehle“ als Gewichtverlagerung auf Standbein

* Ding Bu → Körpergewicht senken und Gewicht auf das hintere Bein verlagern

* Niu Bu → gegnerischen Stand einnehmen durch „Einhaken“

*Qi Xing Bu → gegnerischen Stand einnehmen; Beinfeger nach vorne

(2.2) Danach Handtechnik für Interpretation mit einbeziehen

* Was ist der Handkontakt? → Der generelle Haupthandkontakt in den Handformen ist l. auf l./r. auf r.. Manchmal ist auch der innere Kontakt zu beiden gegnerischen Armen aufzufinden, sowie der Kontakt l. auf r./r. auf l.. Andere Armkontaktarten sind seltener auffindbar.

* Was ist die Handsymbolik? → Handsymboliken im Allgemeinen werden in einer anderen Abhandlung genauer untersucht.

* Gibt die Bewegung der Handtechnik etwas her, was in Kombination mit eines der Anwendungen der jeweiligen Beinstellung eine Wurftechnik ergeben könnte?

* Wenn bei der Interpretation auf keine Wurftechnik geschlossen werden kann → Handelt es sich um einen Hebel oder um einen Schlag etc.? → Macht die Gewichtsverlagerung mit der jeweiligen Beinstellung hierfür Sinn?

* Beachte weiterführend Stellungen bei Frage: „Endtechnik oder Transition Technik?“ → Techniken mit Stellungen wie z.B.: Kua Hu Bu, Niu Bu deuten prinzipiell eindeutig auf eine Wurftechnik hin, währenddem es sich bei Techniken mit Stellungen wie z.B.: Ma Bu, Gong Bu auch lediglich um simple Schlagtechniken z.B. handeln kann.

(2.3) Beachten → Macht die Interpretation der Einzeltechnik „taktisch“ Sinn mit Berücksichtigung der Vor- und Nachtechnik, bzw. der Triessenz?

(3) Beachten → Grundsätzliche Reaktionsmöglichkeiten des Gegners

* Der Gegner blockt Handtechniken (Handkontakt l. auf l./r. auf r.) generell so ab, dass durch seinen Block ein neuer Kontakt (l. auf l. oder r. auf r.) entsteht.

* Der Gegner fällt auf eine Finte rein beim Blocken.

* Der Gegner weicht mit dem vorderen Bein einen ganzen Schritt zurück.

* Der Gegner resistiert gegen die Technik, aber geht keinen Schritt zurück.

* Der Gegner resistiert gegen die Technik und geht „kleine Schritte“ zurück, d.h. keinen ganzen Schritt.

* Der Gegner übt frontalen Druck aus und geht einen ganzen Schritt vor.

* Der Gegner wird einen ganzen Schritt vorgezogen.

* Der Gegner hebt sein Bein an, um einen Beinfeger nach vorne/hinten auszuweichen oder um Wurftechniken auszuweichen, welche die Innenseite seiner Beine blockieren (siehe z.B.: Cha Chui 1. Wurf).

* Der Gegner geht auf die „andere Seite“, um einer Technik auszuweichen.

* Der Gegner wird durch eine Technik auf die „andere Seite“ gebracht.

(4) Beachten → Zusätzliche Punkte für die erfolgreiche Interpretation

* Stimmt die Interpretation mit dem Techniknamen aus der Quan Pu überein? → Die Quan Pu Techniknamen - Interpretationssystematik wird in einer anderen Abhandlung genauer untersucht.

* Ist der Chain Wrestling Teil selbst in mehrere voneinander unabhängigen Teile aufgeteilt?

* Ist die Interpretation mit anderen Formen zu vereinbaren?

5) Abschließende Fragestellungen für die Interpretation und Recherche einer Form

* Wann wurde die Form erfunden? → Kommt sie aus einer Zeit, wo die Leute Formen für das Kampftraining entworfen haben → Kommt sie aus der „moderneren Zeit“, wo Leute Formen für den reinen „Sportzweck“ entworfen haben? → Was für ein Verständnis hatten die Leute über Kung Fu zu der Zeit, wo die Form entworfen worden ist?

* Wie wurde die Form erfunden? → Für wen wurde die Form erfunden? (Soldaten? Bürger? …?) → Aus welchem Stil kommt die Form? → Hat die Form Beziehungen zu anderen Formen des gleichen Stils oder zu anderen Stilen?

* Welche Änderungen gab es an der Form? → Ist eindeutig zu bestimmen, wann/wer/wo Änderungen an der jeweiligen Form vorgenommen hat? → Wieso wurden diese Änderungen vorgenommen? → Haben diese Änderungen die Form „verbessert“?

* Was möchte die Form insgesamt ausdrücken? → Fasst die Form bestimmte Techniken lediglich zusammen, damit diese kompakt weitergegeben werden können? → Fokussieren sich alle Techniken und Kombinationen der Form auf ein bestimmtes Prinzip/Taktik? → Was ist der Grund für die Art und Weise, wie die Form benannt worden ist?